Arabischer Frühling – Chance mitgestalten statt zaudern!

Die deutsche Band Fehlfarben sang Anfang der 80er Jahre „Keine Atempause! Geschichte wird gemacht. Es geht voran ….“.
Wie wahr diese Worte sind, beweist der „Arabische Frühling“.
Hatte die Neue Züricher Zeitung am 18. Januar noch kommentiert, „ein arabischer Frühling .. (stehe) kaum bevor“ weil sie für die Demonstrationen außerhalb Tunesiens verschiedene andere Ursachen ausfindig gemacht hatte, so war die Prophezeiung der amerikanischen Außenministerin Clinton während der Sicherheitskonferenz in München schon trefflicher: Die „ganze Region wird von einem perfekten Sturm mächtiger Entwicklungen erschüttert“.
Überhaupt wurde auf der Konferenz viel Kluges gesprochen, manches wurde vorausgeahnt und vor allem nichts Konkretes wurde beschlossen.

Das Nahost Quartett (USA, EU, Russland, UN) forderte die Palästinenser und Israel auf, den Friedensprozess wieder aufzunehmen. Und tatsächlich belegt die Einigung zwischen Hamas und Fatah am Mittwoch in Kairo, wie sehr der israelisch-palästinensische Konflikt im Rahmen der aktuellen gesamtarabischen Geschehnisse zu sehen ist.
Leider betrachtete der israelische Ministerpräsident Netanjahu die arabischen Revolten aber noch Anfang April primär unter dem Gesichtpunkt der Gefahr des Erstarkens radikal islamistischer Einflüsse und als eine Gefahr für die Sicherheit Israels.

Lange brauchte Europa, sich in Hinblick auf Ägypten und dann auf Libyen zu deutlichen Verurteilungen der Potentaten und zu Sanktionen durchzuringen. Gedankt sei dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy für sein Vorpreschen in Sachen Libyen. Gedankt sei auch, den USA für ihr Engagement in Libyen, obwohl deren Interessen erklärter Weise nur gering ist. Gedankt sei den Russen und Chinesen, dass sie sich nicht querlegten als die UN beschloss, die Libysche Bevölkerung zu schützen – und gedankt sei der Arabischen Liga für ihre Unterstützung.
Alle Maßnahmen kamen aber unbeherzt, schlecht koordiniert und spät. Mittlerweile rechnet man in Libyen mit bis zu 30 000 Toten.
(Herr Westerwelle, Frau Merkel: bis zu 30 000 Tote!!!)

Es ist wahr: Die zugrundelegenden Beweggründe für die Revolten in den einzelnen arabischen Staaten sind unterschiedlich. Bildungsstände , ökonomische und soziale Voraussetzungen lassen sich schwerlich vergleichen. Stammesfehden und religiöse Auseinandersetzungen spielen unterschiedliche Rollen und machen eine stringente Entwicklung nicht gerade wahrscheinlicher. Demokratische Traditionen sind kaum mehr, dafür eher weniger vorhanden. Bezeichnend ist vielleicht die Äußerung eines Arabischen Revolutionärs, man würde lieber einen Esel als neuen Führer akzeptieren denn Mubarak – Hauptsache er sei demokratisch gewählt. Die revolutionären Bewegungen bergen gefährlichen Sprengstoff. In Ägypten tauchten antisemitische Schmierereien auf …

„Keine Atempause! Geschichte wird gemacht. Es geht voran ….“

Längst haben sich aber Frau Clintons Voraussagen bewahrheitet. Längst haben sich Eigendynamiken entwickelt, die aktuell in der Annäherung zwischen Hamas und Fatah gipfeln, Vorerst erfolgreich also die Forderungen palästinensischer Jugendlicher nach Bewegung, die zu mehr Teilhabe, Fortschritt und Wohlstand führen soll. Die Entwicklungen treiben eindeutige Blüten.
Mögen Ursachen und Umstände der Revolten in den arabischen Staaten tatsächlich divergieren, so ist die Stoßrichtung stets dieselbe.
Als Folge verlieren Stammesunterschiede und religiöse Differenzen – insbesondere die allgegenwärtige – die zwischen Sunniten und Schiiten- an Bedeutung.
In Jemen gehen Tausende von Frauen auf die Straße, demonstrieren – auch gegen frauenfeindliche Äußerungen des Präsidenten – und demonstrieren, welch Geistes Kind die Arabische Revolution ist: Auch in Arabien hat das 21. Jahrhundert längst begonnen
Die Globalisierung und die Sozialisierung von Informationsflüssen im Zeitalter des Internets und der sozialen Netzwerke führte zu einer Aufklärung, die sich derzeit ihren Weg aus dem Cyberspace auf die Straße bahnt – unaufhaltsam.

Wenn Russland und China eine gemeinsame Erklärung des UN-Sicherheitsrates zur Situation in Syrien blockiert, so ist das traurig.
Ebenso traurig ist, dass der Westen und die Welt jetzt erst über Sanktionen gegen das syrische Regime nachzudenken beginnen.
Schade, dass sich der Israelische Premier zur Einigung der Palästinenser ebenso pessimistisch äußert, wie er dies im Zusammenhang mit der Revolution in Ägypten tat.

Die Einigung zwischen Fatah und Hamas muss aber als Grundvoraussetzung eines dauerhaften Friedens in Israel gesehen werden.
Tatsächlich sind die revolutionären Bewegungen von säkularer, teils aufgeklärter , stets profaner und pragmatischer Art. Religiöse Gegensätze – etwa die allgegenwärtigen Divergenzen zwischen Sunniten und Schiiten – verlieren ebenso an Bedeutung wie an Zündstoff. Damit werden Diktatoren, deren Macht auch in diesen Divergenzen gründen geschwächt. Religiöser Fundamentalismus wird zugunsten weltlicher Werte zurückgedrängt.
Sollte der syrische Präsident al-Assad fallen, wird es auch um das iranische Regime einsam werden. Die Opposition steht seit der letzten Präsidentschaftswahl in den Startlöchern

Die Arabischen Staaten stehen „vor mächtigen Entwicklungen“. Die Welt hat die Chance, die Entwicklungen mitzugestalten – Europa, ebenso wie Israel.
Friede, Freiheit und Menschenrechte sollten dabei die Leitgedanken sein.
Tyrannen mögen Stabilität gewährleisten können. Es sind aber Demokratien die den Frieden sichern.

„Geschichte … geht voran.“
Als Nachbarn sind Europa und Israel die ersten, die die künftigen Geschicke der Arabischen Welt beeinflussen könnten. Politikberatung in Tunesien und Ägypten sind gute Ansätze.
Bisher zeigt sich auch die Arabische Liga gesprächsbereit. Die Türkei kann gerade mit ihrer außenpolitischen Neuausrichtung einen produktiven Beitrag leisten.
Ein

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