Denk’ an Europa in der Nacht, dann bist du um den Schlaf gebracht!

Reisefreiheit à la Schengen muss bleiben

Wer aus dem Aachener Raum kommt, weiß die Freizügigkeit, die das Schengener Abkommen seit 1995 bietet, zu schätzen. Zwischen Frankreich, Luxemburg, Belgien, Holland und Deutschland ohne Personen-Grenzkontrollen zu reisen, war damals noch wie ein frischer Hauch von Freiheit. Sehr bewusst war den Menschen im grenznahen Raum die Provinzialität von Grenzkontrolle und (Klein)staaterei. Bis nach Portugal fährt man seitdem ohne seinen Pass zu zeigen. Italien öffnete bald auch die Schranken. Weitere EU-Staaten und die Schweiz folgten.

Ob man – wie vorgesehen – von Ende 2011 an auch Lichtenstein kontrollfrei bereisen darf, ist dagegen mittlerweile ungewiss.
Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi und der französische Präsident Nikolas Sarkozy mischen seit geraumer Zeit die Europakommission auf.
Sarkozy will die Reisefreiheit wieder einschränken. Grundüberlegung ist dabei, Europa könnte von einem Zunami arabisch-afrikanischer Flüchtlinge überrollt werden. Vorboten der Schwemme haben die italienische Insel Lampedusa bereits ereicht. Eine kleine Welle von Flüchtlingen – war sogar schon mit der Eisenbahn nach Frankreich unterwegs. Die Afrikaner konnten aber rechtzeitig von den französischen Behörden gestoppt werden. Das Frühwarnsystem funktioniert. Man war den Italienern auf die Schliche gekommen, die den Migranten zur eigenen Entlastung Sondervisa erteilt und den Strom Richtung Frankreich kanalisiert hatten.

Wurde der Stop des Flüchtlingszuges von Sarkozy damals noch als einmaliger Vorfall bezeichnet, so droht er mittlerweile mit dem Ausscheren seines Landes aus dem Schengen-Abkommen.
Im Europaparlament gibt es hierzu vornehmlich Kritik und Stimmen, die gegen eine Aufweichung der Reisefreiheit sprechen. Anders aber die Stimmung in der Europakommission: Noch legt sich die zuständige EU Innenkommissarin Malström nicht fest, ob die Kommission einen Antrag einreichen wolle, der die vorübergehende Wiedereinführung von Binnen-Personenkontrolle ermöglicht.
Der deutsche Innenminister derweil, denk daran, die Kontrollen “situationsangepasst … zu verstärken”

Es ist nicht verwunderlich, wenn Berlusconi und Sarcozy mit ihrem Lieblingswerkzeug, dem Populismus lärmen, um sich auf Kosten von Flüchtlingen zu profilieren. Beide haben in letzter Zeit an Rückhalt in Ihren Heimatländern verloren – nicht wegen der Flüchtlinge. Aber mit Flüchtlingen, lässt sich nun mal trefflich Stimmung erzeugen und beeinflussen.
Die Sorge, Wohlstand und Kultur könnten durch ausländische Einflüsse beschädigt werden, treibt immerhin auch andere Europäer um.

Zu vermuten ist, dass Sarkozy tatsächlich ein anderes, ein ureigen französisches, Problem im Sinne hat, welches sich in unregelmäßigen Abständen durch Tumulte in der Pariser Banlieue äußert; nämlich die ungenügende Integration von Arabern, die aus ehemaligen Kolonialgebieten nach Frankreich kamen und hier am Rande der Gesellschaft ihr Dasein fristen.

Für den römischen Staat hingegen hatte Kleopatra die letzte wirkliche Bedrohung aus Nordafrika dargestellt.
Möglicherweise ist es aber auch diesmal wieder das ambivalente Verhältnis zum anderen Geschlecht, womit der italienische Potentat kämpft – und dessen Wirkung in der Öffentlichkeit.

Andere Schengenstaaten sollten konstruktiver sein und sich für ein uneingeschränktes Einhalten der Vereinbarungen stark machen. Euro und Reisefreiheit sind die sichtbarsten Zeichen gelungener europäischer Integration – deutlich sichtbar und nachvollziehbar für jeden EU-Bürger – im Gegensatz zu den vielen weiteren wichtigen Errungenschaften.

Durch die Überschuldungen einiger europäischer Peripheriestaaten ist der Euro in Volkes Ungnade gefallen.
Soll nun auch die Reisefreiheit in Misskredit gebracht werden?

Wer die angesprochen Schengen-Vereinbarungen zur Disposition stellt, der spielt mit dem Feuer. In der Bevölkerung sind aus verschiedenen Gründen Ressentiments gegen die EU entstanden. Nationale Egoismen treten deutlich hervor. Die Größe des Gebildes macht die Lage nicht einfacher, was Lissabon zeigte.
Die Europäischen Staaten müssen aber lernen, auch als Club von 27 Staaten an einem Strang zu ziehen, miteinander zu reden und Kompromisse einzugehen.
Die aktuelle Schengen-Diskussion darf nicht auf einen Irrweg führen, der das Ereichte gefährdet; nämlich Einigkeit, die Europa in einer Welt globalen Wettbewerbs dringend braucht.
Diskutieren wir stattdessen:
Was kann geschehen, damit die vorwiegend jungen Migranten zu einem Gewinn für die EU werden und dabei selbst gewinnen?
Wie können wir die Situation in den Herkunftsländern für die Menschen dort erträglich machen?

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