Was wurde wohl aus meinem alten Handy? Oder: Der verseuchteste Ort der Welt

Ghana 2008

Greenpeace berichtet von waberndem toxischem Qualm über Agbogbloshie – einem Slumviertel der ghanaischen Hauptstadt Accra.
Einst war Agbogbloshie ein idyllischer grüner Landstreif gewesen – gelegen an der Korle-Lagune.
Im Jahr 2008 existiert hier einer der berüchtigtsten Elektro-Müll-Plätze weltweit. In schwarzer stinkender Brühe liegen ausrangierte Handys, Computer, Waschmaschinen und Fernseher. Quecksilber, Blei, Arsen, Cadmium, Chrom und andere Chemikalien vergiften Land, Wasser und Luft. Die Werte übersteigen den als gesundheitlich verträglich geltenden teils um mehr als das 50fache.

Vor der Küste schwimmen tote Fische. Slumbewohner – meist Kinder und Jugendliche – erarbeiten sich ein kleines Einkommen. Zu Tausenden durchsuchen sie den Elektroschrott, der aus Europa, Deutschland und anderen Ländern der Welt illegal hierher geschafft wird.
Der Elektroschrott wird von den Menschen angezündet, um Brennbares von den begehrten Metallen zu trennen. Ohne Atemschutz, den giftigen Dämpfen ausgeliefert, schädigen sie ihre Gesundheit. Die Beute: Spuren von Gold, Coltan, Kupfer aber auch Eisen und Aluminium.
Nicht mehr als Cent-Beträge bekommen sie dafür vom Schrotthändler.

Ghana 2011

„Kopfweh, Schwindel, Hautflecken: Diese Symptome weisen Kinder auf, die in Afrika hochgiftigen Elektromüll aus Europa ausweiden“ schreibt der Spiegel im Oktober 2011. In Accra finden Wissenschaftler große Mengen Gift der aus europäischem Elektromüll stammt. So werden Schulen und öffentliche Plätze verseucht.
Kinder stehen in glühend heißer Sonne auf Bergen von Elektroschrott, aus denen 300 Grad heißer Dampf aufsteigt. Sie zertrümmern defekte Elektrogeräte, um gebrauchsfähige Bauteile auszubauen. Der Rest wird unter giftigem Qualm verbrannt…

Im Jahre 2013

Die Umweltorganisation Blacksmith Institute „wählt“ Agbogbloshie zum „verseuchtesten Ort der Welt“ und zum „Slumgebiet mit der giftigsten Müllhalde Afrikas“ (mehr: Netzfrauen)
Elektroschrott international

Der Schrott wird – auch heute, 2014 noch – meist über Ghanas Tiefseehafen Tema angeliefert. Er kommt aus der ganzen Welt – als gebrauchsfähige Second-Hand-Ware deklariert. Laut einer Untersuchung der Initiative „Solving the E-wast Problem“ (Step) wuchs die Menge globalen Elektroschrotts von 19,5 Mio. Tonnen im Jahr 1990 auf 57,4 Mio. im Jahre 2010. Für 2015 wird eine Menge von 75 Mio. Tonnen geschätzt (White Paper #5 2014-06-03 TF 1 “Policy“, One Global Definition of E-waste). Im Jahr 2012 hat jeder Mensch durchschnittlich 7 Kilogramm Elektroschrott verursacht, der US-Amerikaner sogar 29,8 Kilogramm und der Chinese 5,4 Kilogramm.
Deutschland kommt auf 23,2 Kilogramm und liegt damit weit über dem Durchschnitt. Grund genug für uns alle, einmal tiefer nachzudenken! Denn:
Trotz Gesetz – vieles geht nach Afrika

Laut Medienangaben werden vom Elektroschrott der Industriestaaten nur etwa 75% ordentlich entsorgt und recycelt.
Wo der Rest verbleibt, weiß man nicht genau!


Exkurs „Follow the Money“

Genauer wissen wollten es „Panorama – die Reporter“ und das Rechercheteam von „Follow the Money“.
Sie präparierten einen defekten Fernseher mit einem Peilsender und einem Akku und schickten ihn auf eine 77 Tage dauernde „Schrottreise“ verfolgten ihn mit Hilfe von Google-Maps und nahmen ihn schließlich in Ghana wieder entgegen.

Tatsächlich war der Fernseher in erwähntem Agbogbloshie gestrandet. Hier versuchen Händler solche Geräte entweder noch als Second-Hand-Ware zu verkaufen oder sie landen gleich auf dem Elektro-Müllberg. Von den verkauften Geräten, machen 80% denselben Weg kurze Zeit später – wenn der unglückliche Käufer feststellt, dass er Schrott gekauft hat.

Eine interaktive Scroll-Doku zu diesem Experiment finden Sie auf der Seite des Senders ARTE, bitte klicken Sie hier.


Trotz der Baseler Übereinkunft (Basel Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Wastes and Their Disposal), die den Export von Elektroschrott verbietet, landen große Mengen, auch aus Europa und Deutschland, in Afrika und Asien. Daran haben auch die WEEE-Richtlinie (Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall) der Europäischen Union zur Reduktion des Elektroschrotts von 2002/2003 und das Deutsche Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) von 2005 nichts Grundsätzliches geändert.
Dies liegt vor allem daran, dass eine lückenlose Kontrolle der gewaltigen Warenströme kaum möglich ist. Die Gefahr erwischt zu werden ist gering. Eine fachgerechte Entsorgung und Wiederverwertung von Elektroschrott ist deutlich teurer als dessen illegaler Abtransport. All dies führt dazu, dass hierzulande laut Zahlen des Umweltbundesamtes von 2010 jährlich 155 000 Tonnen (Umweltbundesamt 2010) Elektroschrott ins Ausland verschoben werden – von dubiosen Händlern containerweise als funktionstüchtige Gebrauchtware deklariert.

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