Den Euro zukunftssicher machen, heißt, Verantwortung teilen, gemeinsam wirtschaften!

Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete in ihrer heutigen Ausgabe Angela Merkels Forderung nach einem höheren Renteneintrittsalter in den überschuldeten Euroländern als „Ausflug in die Populistenkiste“.
Tatsächlich ist Populismus eine Krankheit, die aktuell die Europäische Union zu befallen droht – allerdings von anderer Seite: Berlusconi sei hier genannt und sein Versuch afrikanische Flüchtlinge mittels Freifahrttickets und Sondervisa nach Frankreich abzuschieben, Sarkozy sei hier genannt und seine Forderung, die Reisefreiheit innerhalb des Schengen-Raumes einzuschränken, Dänemark sei genannt ….

Wenn Frau Merkel eine Erhöhung bzw. Angleichung der Renteneintrittsalter fordert, ist dies eine Forderung, die schon ihr Vorschlag zum „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ enthalten hatte – eine Forderung übrigens die heute von den 5 Wirtschaftsweisen nochmals gestärkt wurde.
Im Rahmen einer besseren Koordinierung der Sozial- und Wirtschaftspolitik hatte Frau Merkel ein Paket von Vereinbarungen empfohlen, das eine aufeinander abgestimmte Politik innerhalb der EU ermöglichen sollte, ohne hierzu EU-Verträge ändern zu müssen, also ohne dass weitere nationale Souveränitätsrechte hätten aufgegeben werden müssen.

Der Vorschlag war in Deutschland viel beachtet worden.
Sarkozy hatte damals einer Vereinheitlichung der europäischen Wirtschaftspolitik sowieso schon zugestimmt gehabt.
Von gemeinsamer Wirtschaftsregierung hatte er gesprochen, da lag Frau Merkel mit so viel Gemeinsamkeit noch in Hader.

Obwohl sie nun geläutert schien, blieb ihr Pakt, mangels automatischer Sanktionen, im Falle der Missachtung, ein zahnloser Tiger. Und trotzdem hatte er innerhalb der EU keine Chance. Zu groß waren die nationalen Bedürfnisse, liebgewonnene Eigenheiten beizubehalten, so etwa die Niedrigsteuerpolitik, die Lohnbindung an die Inflationsrate, hohe Renteneinstiegsalter und und und.

Auf einem Euro-Sondergipfel am 3. März 2011 verkündete EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, man habe sich auf Vereinbarungen zur Stabilisierung der Währungsunion geeinigt.
Was von Merkels Vorschlag in dieser Vereinbarung implementiert war, war allerdings dermaßen plattgeklopft, zurechtgestutzt und abgerundet, dass niemand jemals mehr darüber hätte stolpern oder sich an irgendetwas hätte stoßen können.
Es war schlicht nichts Nennenswertes mehr übrig geblieben.

Wenn Angela Merkel dieser Tage beginnt, einzelne Punkte Ihres „Paktes für Wettbewerbsfähigkeit“ wieder ins Gespräch zu bringen, ist das nicht Populismus.
Sie bringt schlicht originäre Forderungen in Erinnerung, die bereits im Zusammenhang mit dem Eurostabilitätspakt erhoben worden waren – und dies zu einem Zeitpunkt da sich die Griechenlandhilfe erneut zu verteuern droht.
Sie tut dies just, wo sich die Frage stellt, muss, wer „A“ sagt, auch „B“ sagen? D.h. muss wer einmal Geld gegeben hat, um Griechenland aus seiner Schuldenkrise zu helfen weiteres Geld nachschieben, bis Griechenland am Schluss tatsächlich in der Lage gewesen sein wird, seine Schulden zurück zu zahlen?
Sollte man also weiter Geld investieren, auch wenn der Erfolg der Maßnahmen zunehmend in Frage gestellt wird?

Zur Alternative steht etwa eine Umschuldung, die womöglich zur Folge hätte, dass EU-weit Banken ins straucheln geraten, die besonders viele griechische Staatsanleihen besitzen.
Wäre es nicht sinnvoll – Griechenland mittels „Haircut“ umzuschulden und dann die bedrängten Banken zu retten? Vielleicht wäre ein solches „Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende“. Für die Griechen jedenfalls wäre es der einfachere Weg, die Schulden los zu werden.
Und mit der erfolgreichen Rettung von Banken haben wir in den letzten Jahren reichlich Erfahrung machen dürfen/müssen.

Eine solche Maßnahme müsste Hand in Hand gehen mit Maßnahmen, die eine “Ansteckungsgefahr” für Portugal und Irland minimieren.

Finanz- und Wirtschaftexperten kennen noch weitere Wege, mit dem Problem umzugehen. Billig wird es nicht – für niemanden in der Europäischen Union. Aber es gibt Wege.
Machen wir nun unsere Hausaufgaben und knüpfen wir die Aktionen an Maßnahmen, die die Wahrscheinlichkeit vergleichbarer Probleme für die Zukunft reduziert.

Griechenland hat Anleihen in Höhe von rund 300 Mrd. € ausgegeben. Für 2010 wird ein BIP von 230 Mrd. € geschätzt, was erste einmal dramatisch klingt. Berücksichtigen wir jedoch, dass Griechenland eine relativ kleine Volkswirtschaft darstellt und dass das BIP der gesamten EU bei etwa 12 300 Mrd. € liegt, dann kommen wir zu dem Ergebnis, dass Griechenlands Schulden unter 2 % des Bruttoinlandproduktes der Europäischen Union für 2010 ausmachen.

Aus der Portkasse zahlt das niemand. Aber es ist zu schultern. Es redet ja auch niemand von einem Kompletterlass der Verbindlichkeiten.

Dem Schuldenschnitt müssen dann dringend weitere Maßnahmen folgen. Mit dem Eurostabilitätspakt sind ja auch Ansätze bereits beschlossen.

Innerhalb Deutschlands funktioniert der Länderfinanzausgleich hervorragend. Niemand stellt ihn ernsthaft in Frage. Lediglich an Handling und Höhe gibt es hier und da Kritik. Erfolgreich und akzeptiert ist dieses System – und kann es nur sein – weil es innerhalb abgestimmter Wirtschaftpolitik existiert.
Auch innerhalb der Europäischen Union könnte ein Finanzausgleich funktionieren, sofern die Voraussetzungen geschaffen werden.

Mit der Einführung des Euro war der zweite Schritt getan worden – vor dem ersten – in Richtung auf ein einheitliches Wirtschafts- und Währungssystemsystem.
Dass der normalerweise erste Schritt, die Vereinheitlichung der Systeme, bislang ausgeblieben war, hatte nur deswegen keine Probleme verursacht, weil das System niemals belastet oder angegriffen worden war.
Durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise kam der Angriff schließlich aber doch.
Und es verwundert niemanden, dass gerade Staaten mit geringer Wirtschaftskraft – wie etwa Griechenland – darunter zu leiden haben.
Spätestens jetzt sollte jeder erkennen, dass, wer ein gemeinsames Währungssystem hat, eine gemeinsames Wirtschaftssystem braucht.
Erst dann wird ein Eurostabilitätspakt nachhaltig wirken und langfristig zu rechtfertigen sein.

Wenn Frau Merkel an Ihren Regeln zur Wettbewerbsfähigkeit festzuhalten scheint, sollte dies als Signal verstanden werden, für die gesamte EU: Es ist von Nöten, sich zusammenzusetzen und Regeln gemeinsamer Wirtschaftpolitik auszuhandeln, mit dem alle leben können. Die Frage ist dabei nicht einmal, „ob“ wir eine gemeinsame Wirtschaftpolitik benötigen. Es stellte sich die Frage, „wann“ führen wir sie ein und wie gestalten wir sie? Oder wir fragen uns „wie teuer soll es noch werden?“

Nicht Griechenland trägt übrigens Schuld für das Desaster. Es war die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die ein latent vorhandenes systemimmanentes Problem aufdeckte.
Wir wussten alle um der ökonomischen Schwächen einiger Wirtschaftssysteme der EU als wir mit ihnen die Währung teilten. Es erfordert nun – neben der Vernunft – der Anstand, die gemeinsame Verantwortung gemeinsam zu tragen und es erfordert die Voraussicht, weiteren Problemen vorzubeugen und endlich ein kooperatives Wirtschaftssystem aufzubauen, das bereits seit der Einführung des Euro überfällig ist.
Im konkreten Falle heißt das, wir tun dies unter Einschluss Griechenlands – sei es aus Solidarität oder Eigeninteresse. Das ist hier egal.
Es sind vor allem die reichen EU-Staaten, die vom Euro profitieren. Das wird sich nicht ändern. Es werden aber alle Staaten sein, die von einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik profitieren.

Das Witzige an der ganzen Geschichte – so wird sich zeigen – ist, dass ein Eurostabilitätsmechanismus erst dann wirklich Sinn ergibt, wenn es eine angemessene abgestimmte Wirtschafts- und Sozialpolitik in der EU gibt
Aber dann, wenn diese Koordinierung der Wirtschaftspolitik funktioniert, dann benötigen wir den Stabilitätspakt gar nicht mehr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.